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Der perfekte Messenger (2016-03-07)

Ich bin schon seit ca. 20 Jahren im Internet unterwegs und hatte früher jede Menge Messenger: AIM, ICQ, MSN, Yahoo und wie sie alle hießen. Die hatten sich so im Laufe der Zeit angesammelt, weil jeder aus meinem Bekanntenkreis etwas anderes verwendet hat. Im Laufe der Zeit wurden andere Messenger beliebter, z.B. Facebook, WhatsApp oder Line, oftmals als Ersatz für die doch sehr teure SMS auf Smartphones. Und was passierte mit den alten Messengern? Dort wanderten plötzlich die Leute ab!

Ich fühlte mich damals schon unwohl mit den vielen Messengern, die bei mir liefen und hatte keine Lust, mir weitere zu installieren, nur damit diese bei nächster Gelegenheit wieder verlassen werden, zumal die meisten kommerziellen Messenger recht stark in der Kritik stehen, insbesondere in Bezug auf Datenschutz und Überwachung. Und warum soll ich mich eigentlich immer anpassen und den anderen wie ein Lemming hinterherlaufen? Also begann ich, nach einem vernünftigen Messenger zu suchen, den ich einsetzen wollte.

Allgemeine Features

Früher reichte es, wenn man Textnachrichten austauschen und sehen konnte, wenn der andere online war. Heute muss so ein Messenger auch VoIP und Video unterstützen, sowie Gruppenchats, Dateitransfer und Desktopfreigabe. Mir persönlich würden wahrscheinlich Präsenzanzeige, Textnachrichten und Dateitransfer reichen, vielleicht noch VoIP dazu, aber den ganzen anderen Klimmbimm, den die Clients heutzutage haben, finde ich eher unwichtig.

Offener Standard oder proprietäres Protokoll

Die meisten Messenger werden von einem bestimmten Hersteller betrieben. Das bedeutet, dieser Hersteller entscheidet, wie das Protokoll aussieht, wie der Client aussieht, welche Betriebssysteme sie unterstützen und der eigentlich entscheidene Punkt: Der Hersteller entscheidet, ob man andere Messenger kontaktieren kann! Letzteres ist üblicherweise nicht der Fall, jeder soll gefälligst IHREN Messenger benutzen. Das machen aber nicht alle und schon sind wir wieder bei der Installation von einem Dutzend Messenger.

Bei der Kommunikation sollte man meiner Meinung nach immer offene Protokolle verwenden. Stellt euch einmal vor, jeder Mail-Anbieter würde nur für sich bleiben wollen. Für eure Freunde bei GMX bräuchtet ihr dort einen Account, für den Klempner, der bei T-Online ist, müsstet ihr euch bei T-Online eine Adresse einrichten, und für eure Eltern einen Account bei Googlemail! Und um die jeweiligen Mails abzurufen, benötigt ihr natürlich von jedem Anbieter ein eigenes Programm! Klingt beknackt oder? Aber genau das ist die Situation mit den Messengern heute!

Zentrales oder dezentrales System

Ein zentrales System hat einen enormen Vorteil, es kann zentral verwaltet werden. Das ist für die Wartung praktisch, bedeutet aber für den Endanwender, dass der Hersteller absolut die Kontrolle über das System hat. Er kann das Protokoll ändern, er kann einzelne Personen aussperren, ja, er kann sogar den ganzen Dienst abschalten! Auch hier ist der Vergleich mit der dezentral organisierten e-Mail sehr schön. Wenn mir mein Anbieter nicht mehr passt, suche ich mir halt einen neuen! Eine andere Möglichkeit wäre ein P2P-Netz, welches man nämlich nicht nur für illegales Filesharing, sondern auch als ausfallsicheres Chat-System nutzen kann.
Wofür ich hier plädiere, ist wohl offensichtlich. ;-)

Verschlüsselung und Privatsphäre

"Wissen ist Macht, nichts wissen, macht auch nichts!" Stimmt nicht ganz. Nichts wissen ist im Zweifelsfall besser! Nämlich, wenn die Betreiber eines Messengers nichts über mich und meine übertragenen Texte und Daten wissen. Ich weiß, es gibt die große Fraktion der Leute, die nichts zu verbergen haben. Mag sein. Mag auch in den meisten Fällen wirklich gut gehen. Aber Wissen ist Macht und spätestens seit den Veröffentlichungen von Edward Snowden wissen wir, dass wir komplett überwacht und die Daten auch ausgewertet werden. Ich bin der Meinung, wir sollten möglichst nur noch verschlüsselt über das Internet kommunizieren. Zum Einen bieten wir dadurch niemandem Angriffsfläche, zum Anderen schützen wir aber durch so ein Verhalten auch die Menschen, die wirklich etwas zu verbergen möchten. Jeder sollte die Möglichkeit haben, privat mit anderen zu kommunizieren!

Auflösung: Welches ist denn nun der perfekte Messenger?

Tja, wenn wir mal alle proprietären Messenger von einem Hersteller mit einem zentralisierten System streichen, bleibt eigentlich fast nichts mehr übrig. Mir fallen eigentlich nur zwei Systeme ein, die man nehmen könnte, beide haben so ihre Vor- und Nachteile.

Da wäre zum Einen XMPP (extern), auch als Jabber bekannt. XMPP ist ein standardisiertes System, welches ähnlich wie e-Mail mit dezentralen Servern aufgebaut ist. Verschlüsselung ist über OTR (extern) möglich, wird jedoch nicht von allen Clients unterstützt und bedarf zusätzlicher Handgriffe. Daher wahrscheinlich eher zu kompliziert für viele. VoIP oder Videokonferenzen funktionieren trotz Standardisierung meiner Erfahrung nach außer mit Jitsi (extern) mit keinem Client vernünftig, spätestens ein NAT-Router bringt sie zu Fall. Jitsi funktioniert sehr gut, hat aber für Endanwender viel zu viele verwirrende Optionen. Hätten alle Clients von Haus aus eine vernünftige OTR-, VoIP- und Video-Unterstützung, wäre es ein tolles System.

Der zweite Kandidat wäre Tox (extern). Tox geht als komplett serverloser und verschlüsselter Ersatz für Skype ins Rennen. Tox unterstützt Chat, Gruppenchat, VoIP, Videokonferenzen, Dateiübertragungen, Desktop-Sharing - und alles verschlüsselt! Und die Verschlüsselung funktioniert einfach so, ohne dass der Anwender etwas machen muss! Momentan gibt es wenig, was man kritisieren könnte. Da wären z.B. die fehlenden Offline-Nachrichten - was bei einem serverlosen Netz schwer bis gar nicht zu realisieren ist. Außerdem gibt es keine persistenten Chaträume, auch dort ist das Problem der Serverlose Betrieb. Und der letzte Haken ist, dass das System noch in der Entwicklung ist. Wen das nicht schreckt, kann sich ja mal einen der Clients runterladen und testen, mir gefällt QTox (extern) sehr gut.

Ein möglicher dritter Kandidat wäre RetroShare (extern). RetroShare ist kein Filesharing-Programm, ermöglicht aber auch dies. Es ist ähnlich organisiert wie Tox, also serverlos und verschlüsselt und bietet unter anderem gängige Messenger-Funktionalitäten. Anscheinend kann man dort auch persistente Channels anlegen, aber das muss ich mir mal erst in Ruhe ansehen. Großer Haken: Retroshare läuft nicht auf Smartphones! Das dürfe es für viele uninteressant machen, Ich für meinen Teil hatte eigentlich noch nie das Bedürfnis, am Smartphone zu chatten. Aber ich habe auch kein Bedürfnis, mit einem Smartphone von unterwegs länger zu telefonieren, vielleicht bin ich da nicht ganz maßgebend. ;-)